Das Bürgerhaus am Platz an der Linde wird jetzt vielleicht doch zur Seniorenwohnanlage. Mit reichlich Verspätung hat die „Stiftung Gut Hübenthal“ ein Nutzungskonzept und ein finanziell äußerst attraktives Kaufangebot bei der Gemeinde eingereicht. Hinter der Stiftung aus dem nordhessischen Witzenhausen steckt nichts anderes als der deutsche Ableger der Bhagwan-Sekte, die in den 70er- und 80er-Jahren weltweit für Furore sorgte.
Bhagwan Shree Rajneesh, der sich kurz vor seinem Tod in „Osho“ umbenannte, war einer der schillerndsten Figuren der damaligen Zeit. Tausende meist junge Leute zogen in seine Aschrams nach Pune in Indien und später nach Wasco County im US-Bundesstaat Oregon. In Erinnerung geblieben ist der 1990 verstorbene Bhagwan vor allem durch seinen Ruf als „Sex-Guru“ und seine 93 Rolls Royce, mit denen er beinahe täglich an seinen Jünger in langsamer Fahrt vorbeifuhr.
30 Jahre später sind die meisten „Sannyasins“, wie sich die Anhänger der Bewegung nennen, älter geworden. 30.000 bis 40.000 von ihnen gibt es noch in Deutschland, die meisten von ihnen sind 65 und älter.
Die „Stiftung Gut Hübenthal“, die sich das Ziel gesetzt hat, die Lehren und das Wirken Oshos in Deutschland zu erhalten, plant nun in Sulzbach ihr erstes eigenes Altenheim. Mit dem Gut Hübenthal in der Nähe von Witzenhausen gibt es bereits eine große Kommune in Hessen, die nun eine Außenstelle im Rhein-Main-Gebiet erhalten soll. „Wir planen eine Einrichtung für rund 100 Sannyasins, die hier ein friedliches Leben im Alter im Sinne Oshos führen wollen“, erklärt Projektleiterin Esther April.
Für Sulzbach hat das Projekt Vor- und Nachteile. Zu den Vorteilen zählt, dass die Stiftung sämtliche Bau- und Renovierungskosten übernehmen will und kräftig in das Gebäude investiert. Obendrein hat sie einen beachtlichen Kaufpreis in Höhe von 5,3 Millionen Euro geboten. Esther April: „Osho hat unserer Stiftung zehn seiner Rolls Royce vermacht. Den Erlös aus dem Verkauf wollen wir nun im Sinne des Erleuchteten investieren.“
Zu den Nachteilen für Sulzbach zählt, dass die Sulzbacher Vereine das „Mandir Alten- und Meditationszentrum“ – wie das Bürgerhaus dann heißen soll – nur noch bedingt nutzen können. So könnte die Sängervereinigung ihre Proben künftig nicht mehr mittwochs abhalten, sondern müsste am Freitagabend in der geplanten „spirituellen Halle“ üben. Eine Gastronomie ist nach Angaben der „Stiftung Hübenthal“ zwar grundsätzlich möglich. Sie dürfe aber ausschließlich vegane Gerichte anbieten und keinen Alkohol ausschenken. Ob es einen Grüntee-Garten auf dem Platz an der Linde geben wird, ist noch offen.
Die Idee, aus dem Bürgerhaus eine Seniorenwohnanlage zu machen, war eigentlich schon vom Tisch, nachdem sich bis zum Frühjahr 2020 kein Investor gefunden hatte, der das Projekt umsetzen wollte. Seither tagt eine nicht-öffentliche Arbeitsgruppe mit Vertretern aller Fraktionen, um Vorschläge für die Zukunft des in die Jahre gekommenen Gebäudes zu erarbeiten. Konkrete Ideen hat die Gruppe bisher noch nicht benannt.
Das Angebot der Bhagwan-Sekte wird innerhalb der Arbeitsgruppe kontrovers diskutiert. „Wir wissen ja, dass einige Sulzbacher das Bürgerhaus erhalten möchten. Bei diesem Angebot kann man aber kaum `Nein´ sagen“, lässt sich ein Teilnehmer zitieren, der nicht genannt werden möchte.
Die Sannyasins haben zwischenzeitlich auch erfahren, dass es in Sulzbach Vorbehalte gibt. Daher wollen sie ihre Pläne am heutigen Freitag, 1. April, ab 15 Uhr an einem Info-Stand am Platz an der Linde präsentieren und mit einer „dynamischen Meditation“ für ihr Projekt werben. „Wir stehen seit jeher für Offenheit, Transparenz und Liebe“, sagt Esther April. nt