3. November 2023

Vier Gasthäuser am Großen Dalles

Dämmerschoppen über die Geschichte der Sulzbacher Gastronomie

Der Gastraum der Wirtschaft "Zum Schützenhof" Anfang der 70er-Jahre. Vor und hinter der Theke stehen und sitzen von links: Gerda Jung, Walter Schulz, Gustav Schubert, Günther Seynstahl, Hans Müller, der Wirt Helmut Schmitt und seine Frau Kati, Heinrich Schmitt, Frida Schubert, Heinrich Ziura, ein unbekannter Gast und Christa Maier. Foto: Geschichtsverein Sulzbach

„Wann und wo die erste Gaststätte im Ort eröffnete, ist nicht bekannt.“ Mit diesen Worten begann Hobbyhistoriker Joachim Siebenhaar, der auch Vorsitzender des Sulzbacher Geschichtsvereins ist, seinen einstündigen Vortrag beim jüngsten „Dämmerschoppen“ im Gewölbekeller des Frankfurter Hofes über die „Historische Entwicklung der Gaststätten in Sulzbach“.

Dagegen gesichert ist in alten Protokollen, dass bereits vor 350 Jahren im Ort Bier gebraut und ausgeschenkt wurde. Dazu wurden sogar schon Schankrechte vergeben. Um 1900 gab es in der Gemeinde bereits vier Gasthäuser, die zum Teil auf eine lange Tradition zurückblicken konnten. Die hießen „Zur Flinte“, „Frankfurter Hof“, „Zum Taunus“ und „Zum Schützenhof“. Alle vier Gasthäuser lagen innerhalb des engeren, vom ehemaligen Haingraben umschlossenen Dorfbereiches. Um diese Zeit hatte Sulzbach etwa 1.000 Einwohner.

Das Gasthaus „Zur Flinte“ bezeichnete sich nach eigenen Angaben als das älteste Gasthaus im Dorf, das sich seit 1809 im Besitz der Familie Anthes befand. Wirt der „Flinte“ in der Hauptstraße 23 war um 1900 der 1881 geborene Karl Anthes. Nachdem er 1950 verstarb, führte seine Frau Margarete mit Tochter Sofie das Lokal weiter. Ende der 50er-Jahre wurde die Gaststätte erweitert und die Küche modernisiert, die Fenster auf der Straßenseite vergrößert, das Haus aufgestockt und der Giebel um 90 Grad gedreht. Die privat genutzten Räume im ersten Stock wurden zum Kolleg gestaltet, außerdem zwei Fremdenzimmer eingerichtet.

Nachdem Margarete Anthes 1959 verstorben war, übernahm Tochter Sofie Christian die Gaststätte. Nach dem Tod ihres Mannes Wilhelm – 1943 an den Folgen einer Kriegsverletzung verstorben – unterstützten sie ihre Töchter Gerda und Ellen. In der Flinte traf man sich regelmäßig zum Stammtisch. Die Flinte war Vereinslokal des Gesangvereins „Eintracht“. Hier probte auch der evangelische Kirchenchor im Kolleg im ersten Stock. Nachdem die langjährige Wirtin Sofie Christian 1977 verstarb, wurde das Lokal übergangsweise für ein Jahr von Tochter Gerda und ihrem Mann Franz Horneck weitergeführt. Der hatte aber keine Interesse, sich als Wirt zu betätigen. Darum schloss die Flinte im Dezember 1978 ihre Türen für immer. Das Haus wurde zu einem Mehrfamilienwohnhaus umgebaut.

„1830 wurde der Frankfurter Hof gegründet“, berichtete Siebenhaar und zitierte Hinweise aus der Sulzbacher Schulchronik. So schrieb Pfarrerssohn Moritz Spieß, dass Ludwig Schaar ab 1830 die Wirtschaft als Nebenerwerb betreibt. Danach war sein Sohn Franz der Wirt. Nach dessen Tod führte seine Frau Wilhelmine das Gasthaus weiter. Anhand von Postkarten, Fotos, Bildern und Speisekarten gab der Referent einen umfassenden Einblick in das Herrenhaus an der Cretzschmarstraße 6 mit Gaststättenbetrieb und Saalbau. Als letzter Wirt übernahm in den 30er-Jahren Friedrichs Sohn Jakob das Kommando im Frankfurter Hof. Im Saal gab es Konzerte und Theaterspiele. Die letzte große Veranstaltung fand während der Faschingskampagne 1960 statt. Im Sommer 1960 schloss das Gasthaus und blieb 50 Jahre geschlossen. Heute kam man darin koreanisch speisen.

Der Dritte im Bunde der Traditionsgaststätten hieß früher „Zu den drei Hasen“, später „Zum Taunus“. Ab 1909 wurde die Gaststätte von Jakob und Margarete Hartkopf am Großen Dalles bewirtschaftet, wo heute das Gebäude mit dem Finanzpunkt steht. „Dieses Bild zeigt das Gasthaus mit dem 1927 erbauten großen Saal“, klickte Joachim Siebenhaar am Beamer das Dia an und ergänzte, dass der Saal mit Bühne und Tanzfläche bis zu 800 Personen Platz geboten hätte. Jakob Hartkopf verstarb 1952 einem Krebsleiden. 1959 baute die älteste Tochter Else, die den Bad Sodener Reinhold Mies geheiratet hatte, das Lokal zu einer modernen Speisegaststätte mit Mittagstisch um. Bis 1973 war sie ein beliebter Treffpunkt für viele Vereine.

Das viertälteste Gasthaus ist der „Zum Schützenhof“, 1898 von Friedrich Jakob Kern, einem leidenschaftlichen Jäger am heutigen Platz an der Linde errichtet. Die Wände des Gastraumes waren mit Jagdmotiven bemalt. Das Lokal wurde ein Treffpunkt für Jagdbegeisterte. Nach dem Tod von Friedrich 1906 übernahmen die Geschwister Kätchen und Heinrich mit Mutter Phillipine den Gastbetrieb. 1938 wurden die Wandbilder bei Renovierungsarbeiten übermalt. Helmut Schmitt als zukünfiger Wirt schenkte selbstgemachten Apfelwein aus. 1958 wurde der Gastraum umgebaut, die Theke gedreht. 1965 kamen Fremdenzimmer hinzu. Im Dezember 1972 schloss die Gaststätte und wurde im Januar 1973 abgerissen. Heute parken auf dem Areal Autos, und dienstags findet dort der Wochenmarkt statt.

1952 eröffnete Phillip Zimmermann das „Frankfurter Bierstübel“ in der Hauptstraße 82. Es war ein Unterhaltungslokal mit Tanzabenden, das gerne von Kurgästen aus Bad Soden besucht wurde, später in „Gasthaus zum Vater Philipp“ umbenannt. Hier erfolgte 1967 die Gründung des Schützenvereins und auch des Schachvereins. 1978 verabschiedete sich Dieter Zimmermann als letzter Wirt vom „Vater Philipp“.

„Als letztes Gasthaus möchte ich das von den Eheleuten Schmidt ab 1969 betriebene Gasthaus „Zum Altkönig“ in der Schwalbacher Straße 28 noch erwähnen, das 1984 wegen eines Todesfalle in der Familie Schmidt verpachtet wurde und später Wohnbebauung weichen musste“, schloss Hobbyhistoriker Joachim Siebenhaar seinen historischen Streifzug durch die Sulzbacher Gastronomie der vergangenen 200 Jahren.

Über 60 meist ältere Sulzbacherinnen und Sulzbacher verfolgten Siebenhaars Bericht mit aufmerksamen Interesse. Denn auf manchen älteren Fotos konnten sie sich selbst erkennen und dazu lustige Begebenheiten beitragen. Haben sie doch in jungen Jahren selbst noch in den Gaststätten gut gegessen, in den Sälen ausgiebig gefeiert und oft bis tief in die Nacht getanzt. gs

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