„Sulzbach und die Hyperinflation von 1923“ lautete das Thema des ersten Erzählcafés und des ersten Dämmerschoppens in diesem Jahr. Der Vorsitzende des Geschichtsvereins, Joachim Siebenhaar, hat Ursachen und Auswirkungen der Geldentwertung auf die Gemeinde in einem spannenden Vortrag zusammengefasst.
Mit der Deutung des Begriffes Inflation und der Frage „Warum gab es nach dem ersten Weltkrieg eine Inflation?“ begann Joachim Siebenhaar seine historische Betrachtung. Inflation kommt vom lateinischen „inflare“ und bedeutet „aufblähen“. Und die Antwort, warum es die Inflation gab, ist einfach. „Sie hat ihren Ursprung in diesem Krieg. Der wurde nicht durch Steuern, sondern auf Pump finanziert“, berichtete der Hobbyhistoriker und belegte die Entwicklung der Geldentwertung mit alten Fotos, Gesetzesblättern, Geldscheinen, Zeitungsanzeigen, Kassenzetteln und Lebensmittelpreisen.
Mit Kriegsanleihen wurde der Krieg finanziert, denn die Regierung war überzeugt, den Krieg zu gewinnen. Deshalb wurde die Bevölkerung aufgefordert, Geldanleihen zu zeichnen, die nach dem Sieg zurückgezahlt werden sollten. Die Kriegsgegner, so ein Staatsminister, müssten die Kosten des Feldzuges in Form von Reparationsleistungen begleichen.
„Uns interessiert natürlich, was sich zu dieser Zeit in Sulzbach ereignete“, betonte der Referent und konnte bei seinen Recherchen als wichtige Informationsquelle auf die Sulzbacher Schulchronik zurückgreifen. So schrieb Hauptlehrer Peter Laut, „dass bei der Werbung zur sechsten Kriegsanleihe auch Schüler und Lehrer mitgewirkt haben“. Bei einem Unterhaltungsabend im Frankfurter Hof wurde zur Kriegsführung nicht nur um Geld, sondern auch um Metalle geworben. Auch Sulzbacher Klassen beteiligten sich an Sammelaktionen („Gold gab ich für Eisen“). 1917 notierte der neue Hauptlehrer Karl Roßbach die Sammelergebnisse in den Schulannalen.
Doch das Deutsche Reich verlor den Krieg. Im Vertrag von Versailles wurde Deutschland verpflichtet, den Siegermächten horrende Reparationsgelder zu zahlen. Die Bürger hatten somit doppelten Schaden. Ihre gezeichneten Kriegsleihen samt Zinsen wurden wertlos und die Güter des täglichen Lebens knapp. Das Geld verlor an Wert, denn immer wieder wurde vom Staat neues in Umlauf gebracht. Sogar Städte und Unternehmen duften Scheine bis 100 Mark selbst drucken, um ihre Mitarbeiter entlohnen zu können. Der Höchster Magistrat schrieb an die Farbwerke, dass 5 Milliarden Notgeld gedruckt werden sollen.
„Für die Zeit zwischen 1914 und 1924 ist die Schulchronik die wichtigste Infomationsquelle“, erkannte Joachim Siebenhaar, der daraus ausfühelich über die Besatzungszeit der Franzosen im Ort berichten konnte. Da die oberen Klassenräume durch Franzosen belegt waren, konnten nur die zwei unteren Räume für den Schulbetrieb genutzt werden. Im Hof von Heinrich Rudolf in der damaligen Kirchgasse war die französische Feldküche für die Soldaten aufgebaut. Für die Essenszubereitung der Offiziere nutzten die Köche den Küchenherd der Rudolfs.
Trotz des schwierigen Umfelds gab es ein aktives Gemeindeleben und es wurden Vereine gegründet. Das Schulhaus musste aufgrund der Klassenzahlen erweitert werden. Alles wurde teurer. Auch die 30 bedürftigen Schulkinder erhielten aus Kostengründen nur noch einen Viertelliter Milch. 1922 gab es wieder neue Geldscheine. Die Nennwerte vergrößerten sich von 100 auf 5.000 Mark. Die im Herbst 1922 einsetzende Hyperinflation ruinierte die Sparer und stürzte Deutschland in eine schwere Wirtschaftskrise. In Wiesbaden wurden Metzgereien und Kolonialwarenläden gestürmt.
„Damit war in Sulzbach nicht zu rechnen“, sagte Siebenhaar. Denn für die damals 1.400 Einwohner gab es genug Geschäfte wie beispielsweise die Kolonialwarenläden mit Jakob Hornfeck und Eva Bohrmann, die Bäckereien von Georg Bohrmann und von Heinrich Hannappel sowie Lebensmittel von Jakob Harrach und Anne Kohlermann. Außerdem war der Grad der Selbstversorgung hoch, denn es gab im Ort noch fast 100 bäuerliche Voll- und Nebenerwerbsbetriebe. Und innerhalb von Tagen, ja sogar Stunden, verteuerten sich Waren und Lebensmittel.
Die rasante Entwicklung von der Inflation zur Hyperinflation 1923 blieb aber auch in Sulzbach nicht ohne Folgen. „Da in Sulzbach keine Straßenbahn verkehrte, möchte ich Ihnen die Frankfurter Tarife zeigen“, sagte der Siebenhaar und klickte Bilder mit Fahrkarten an. So kostete die einfache Fahrt über zwei Kilometer am 1. April 1923 noch 8.000 Mark. Drei Monate später mussten 30 Milliarden Mark dafür bezahlt werden. Geldscheine wurden nicht mehr gezählt, sondern in Körben gewogen.
Gegen diesen Notstand konnte nur eine Währungsreform helfen. Am 15. Oktober 1923 wurde die Deutsche Rentenmark gegründet und einen Monat später die ersten Rentenmark-Noten ausgegeben. Die neuen Scheine hatten eine durchgängig gestaltete Aufmachung. Mitte der 1920er-Jahre erholte sich die Wirtschaft und Deutschland war wieder zahlungsfähig. Es sollten die „Goldenen Zwanziger“ folgen. gs