8. April 2024

Eine weit gereiste Schreibmaschine

Geschichtsverein Reichsdorf Sulzbach: „Wenn Gegenstände erzählen könnten“

Auch Die Torpedo-Schreibmaschine von Heinz Günter Conrad hat eine Geschichte zu erzählen. Foto: privat

Wie bereits berichtet feiert der Geschichtsverein „Reichsdorf Sulzbach“ in diesem Jahr sein 45-jähriges Bestehen. Im Jubiläumsjahr möchte der Verein mit einer neuen Reihe auf den Geschichtsverein aufmerksam machen und das Interesse der Sulzbacher Bürgerinnen und Bürger für „Gegenstände aus dem Leben, die Geschichten erzählen“ wecken. Unter diesem Motto berichtet der Verein einmal im Monat im Sulzbacher Anzeiger. Nach der Motorradjacke und einem Motorrad mit Beiwagen im Februar folgt nun die Geschichte einer Schreibmaschine.

Die Torpedo-Schreibmaschine gehörte Heinz Günter Conrad, geboren am 23. September 1920 in Görlitz. Sie steht heute bei seiner Tochter Elke Konrad in Sulzbach in der Bahnstraße. Heinz Günter Conrad erlernte in seiner Heimat das Tischlerhandwerk und nach den Kriegswirren fand er als Sicherheitskraft eine Anstellung bei der Eisenbahn-Kripo, der heutigen Bahnpolizei.
Bei der Eisenbahn war er ab 1946/47 im Schichtdienst beschäftigt und sorgte für die Sicherheit auf den Bahnhöfen und rund um die Bahnstrecken. Über die Stationen in Freilassing und Bremen kam er nach Frankfurt und lernte später seine Frau kennen. Ihren Wohnort hatten sie in Erzhausen bei Darmstadt. Bei der Eisenbahn wurden auf der besagten Schreibmaschine diverse Protokolle und sonstige Ermittlungen verfasst.
Da das Gehalt als Bahnangestellter nicht ausreichte hat er sich mit seinem Nebenjob als Selbstständiger Hausbrandversorger (Kohle-, Koks-, Briketthändler) einen zuverdienst gesichert. Mit seinem DKW F8-Pritschenwagen wurde der Hausbrand ausgefahren. Auf der Torpedo-Schreibmaschine, die inzwischen bei seiner Dienstelle ausrangiert und er sie in seinen Besitz genommen hatte, wurden die Aufträge, Lieferscheine und Rechnungen geschrieben.
Die Torpedo-Werke (auch als Weil-Werke bekannt) waren ein Hersteller von Fahrrädern und Büromaschinen in Rödelheim. Die Firma wurde 1896 gegründet und produzierte anfangs nur Fahrräder unter dem Markennamen „Weil-Räder“ und „Torpedo-Räder“. Ab 1906 wurden auch Schreibmaschinen unter dem Namen „Torpedo“ verkauft und weiterentwickelt.
Das Modell, Torpedo-Standard, mit der Serien-Nr. 53120, wurde um 1927 gebaut und ist eine der ersten deutschen Schreibmaschinen mit Segmentumschaltung und den Eigenschaften: Typenhebel, Vorderanschlag, Farbband, Tabulator und Anschlagstärke-Regler. Die Tastatur ist universal, vierreihig und besitzt 46 Schreibtasten.
Auch Tochter Elke hat darauf Maschinenschreiben gelernt und ihre ersten Schreibarbeiten und Übungen für die Handelsschule noch darauf geschrieben. Leider musste Elke Konrad Ende der 60ziger Jahre wegen der fehlenden Umlaute auf der Tastatur auf eine andere Schreibmaschine wechseln. Die Schreibmaschine stand in Erzhausen in der Wohnküche und hat bei Elke Konrad ihren Ehrenplatz in Sulzbach gefunden. Die Torpedo-Schreibmaschine, die diese Geschichte erzählt, befindet sich immer noch in einem sehr guten und funktionsfähigen Zustand.
Wer auf dem Dachboden, im Keller oder bei Haushaltsauflösungen auf Gegenstände stößt, die eine Geschichte zu erzählen haben und die veröffentlicht werden soll, kann sich an den Geschichtsverein per E-Mail an GRS1979@gmx.de oder unter der Telefonnummer 06196/73283 wenden.
Mit einem alten Küchenherd setzen wir diese Reihe im April fort. red

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