5. September 2024

Erfolgreicher Widerstand

Joachim Siebenhaar sprach beim Dämmerschoppen über Sulzbachs Selbständigkeit

Im Rahmen der Gebietsreform der hessischen Landesregierung im Jahr 1974 sollte Sulzbach nach Bad Soden eingegliedert werden. Doch die Sulzbacher wehrten sich erfolgreich. Foto: gs

„Vor 50 Jahren ist es den Sulzbacher gelungen, ihre Selbstständigkeit zu bewahren und nicht nach Bad Soden eingemeindet zu werden“. Mit dieser immer wieder gern gehörten Botschaft eröffnete der Vorsitzende des Sulzbacher Geschichtsvereins, Joachim Siebenhaar, seinen Vortrag „Sulzbach bleibt selbstständig“.

Anlass zu diesem spannenden Vortrag, den der Hobbyhistoriker im Erzählcafé sowie im Dämmerschoppen gehalten hat, waren im August die Jubiläumsfeierlichkeiten „Sulzbach feiert seine 50-jährige Selbstständigkeit“. Denn als die hessische Landesregierung 1974 Sulzbach im Rahmen der Gebietsreform nach Bad Soden eingliedern wollte, gingen die Sulzbacher mit Erfolg auf die Barrikaden.
Dass Sulzbach nicht erst seit 50 Jahren um seine Selbstständigkeit gekämpft hat, zeigt ein Blick auf die wechselhafte Ortsgeschichte: Stichwort „Freies Reichsdorf“ Sulzbach. „Dieser Status ist nicht gleichzusetzen mit uneingeschränkter Selbstbestimmung und Sicherheit“, berichtete Joachim Siebenhaar und bewahrte den Ort auch nicht vor militarischen Strafaktionen durch die jeweiligen Grundherren, auch nicht vor kriegerischen Zerstörungen. Schmerzlich mussten die Sulzbacher erfahren, dass Freiheit im Handeln, Selbstständigkeit und Unabhängigkeit nicht zum Nulltarif zu bekommen war. Und wenn es der Titel des Referates erlaubt, schaltet Joachim Siebenhaar gerne einen historischen Schnelldurchlauf an den Anfang seiner Ausführungen.
Begonnen hatte alles mit einer Urkunde im Jahre 1035. Es ist sozusagen der Geburtsnachweis Sulzbachs, das sogleich auf Geheiß von Kaiser Konrad des II. an das Kloster Limburg an der Hardt verschenkt wurde. Verwaltet wurden die Sulzbacher Güter durch den Abt, der diese Aufgaben als Lehen vergab, was die Sulzbacher nicht hinnahmen. Da die Selbstständigkeit auch verteidigt werden musste, schlossen die Sulzbacher 1282 einen Vertrag mit Frankfurt. Hierin verpflichteten sie sich, als freie Bürger der Stadt gegenüber Heerfolge zu leisten. Als Gegenleistung gewährleistete Frankfurt dem Dorf militärischen Schutz.
Davon unabhängig bestätigte Kaiser Karl IV. dem Dorf 1349 den Status eines freien Reichsdorfes. Dies tat später auch Kaiser Siegesmund. Doch was nutzte die kaiserliche Beurkundung, wenn 16 Jahre später Söldnertruppen drohten, das Dorf zu brandschatzen. Auch das Schlachtengetümmel des Dreißigjährigen Krieges erfasste Sulzbach.
Anhand von Urkunden bestätigte Kaiser Karl VI. 1650 den Dörfern Sulzbach und Soden die Reichsfreiheit. Sulzbach fiel dabei an das katholische Kurmainz. Als Folge der Napoleonischen Kriege wurden Sulzbach und Soden dem Fürstentum Nassau-Usingen zuerkannt. Nassau wurde 1866 von preußischen Truppen besetzt, ebenso die Stadt Frankfurt, die wie Sulzbach als „moderne Brandschatzung“ mächtig „Lösegeld“ zahlen musste.
Seit Ende des 19. Jahrhunderts entwickelte sich Sulzbach kontinuierlich weiter. Die Einwohnerzahl stieg, die soziale Struktur (Schulneubau) verbesserte sich, Strom- und Wasserversorgung wurde installiert. Als die Sulzbacher in den 1930er Jahren Land für den Bau von Flakstellungen und des Flugplatzes abgeben mussten, waren Proteste unmöglich. Ende 1945 wurde Groß-Hessen gegründet, ein Glied im demokratischen Deutschland. „Da gab es für die Sulzbacher nichts zu meckern“, merkte der Referent an. Aber es sollte Folgen haben. Denn noch im gleichen Jahr rief die Hessische Landesregierung eine „Kabinettskommission zur Vorbereitung der Verwaltungsreform“ ins Leben. Dabei sollten Zwerggemeinden unter 300 Einwohnern aufgelöst werden.
„Fast zwei Jahrzehnte verschwanden die Überlegungen in der Schatztruhe der Verwaltung“, führte Joachim Siebenhaar weiter aus. Erst der hessische Ministerpräsident Dr. Georg August Zinn holte eine diesbezügliche Regierungserklärung am 17. Januar 1967 aus der Schublade. Sein Nachfolger Albert Oswald setzte die Vorhaben um. Nach der Landtagswahl 1970 verfügte das sozialliberale Kabinett in Wiesbaden über eine satte Mehrheit. Die Gebietsreform war ein wichtiges Projekt der damaligen Landesregierung. Was das für Sulzbach bedeutete, lesen Sie ausführlich in der nächsten Ausgabe. gs

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