Im ersten Teil seines Vortrags „Sulzbach feiert seine Selbstständigkeit“ lieferte Joachim Siebenhaar, der Vorsitzende des Sulzbacher Geschichtsvereins, einen kompakten Schnelldurchlauf der Gemeindegeschichte von der ersten urkundlichen Erwähnung 1035 bis zum Ende des zweiten Weltkriegs 1945. Nach der Stunde „Null“ ging es wieder bergauf.
„Da gab’s für die Sulzbacher nichts zu meckern“, leitete der Referent seine Ausführungen über den Kampf der Gemeinde Sulzbach um ihre Selbstständigkeit ein, 1974 nach Bad Soden eingegliedert zu werden. Denn die Hessische Landesregierung berief eine „Kabinettskommission der Verwaltungsreform“ ins Leben. Die Gebietsreform war ein wichtiges Projekt. Die Neuordnung in Hessen war jedoch politisch hoch umstritten und wurde in mehreren Phasen zwischen 1969 und 1979 durchgeführt.
In einer Pressekonferenz im November 1970 informierte der hessische Innenminister den Kreisausschuss über die gebietliche Neugliederung auf Gemeindeebene. Danach sollten Sulzbach, Neuenhain und Altenhain nach Bad Soden eingegliedert werden, um sie „verwaltungstechnisch als Einheit“ zu integrieren. Auch war angedacht, neben Sulzbach auch Niederhofheim und Oberliederbach nach Bad Soden einzugemeinden. „Die Sulzbacher Gemeindegremien verhielten sich noch abwartend“, sagte Joachim Siebenhaar.
Im März 1971 beantragte die örtliche CDU-Fraktion einen Ausschuss für die Fragen der Gebietsreform, eine Bürgerversammlung wurde vorbereitet. Eine Bürgerbefragung, an der nur 25 Prozent der Wahlberechtigten teilnahmen, brachte ein klares Ergebnis: 82 Prozent der Stimmen sprachen sich gegen einen Zusammenschluss mit Bad Soden aus.
In der Haushaltsrede am 23. März 1971 sprach sich der damalige Bürgermeister Karl Reinke (SPD) für die „neue Einheitsgemeinde“ aus. Es folgten emotional geführte Pro-und Kontra-Sitzungen auf Gemeinde- und Kreisebene. Am 11. November 1971 fand eine Sondersitzung der Gemeindevertretung statt.
„Offensichtlich nahmen die Gemeindevertreter der SPD die Stimmung in der Bürgerschaft zur Kenntnis“, führte der Referent weiter aus. Einstimmig wurde beschlossen, „Sulzbachs Selbstständigkeit mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu verteidigen“. Dazu verabschiedete die Gemeindevertretung am 6. Dezember 1973 einstimmig eine Resolution gegen die Eingliederung nach Bad Soden.
Im Januar 1974 organisierte der örtliche Vereinsring eine Unterschriftenaktion. Ergebnis: 75 Prozent der Wahlberechtigten sprachen sich für die Selbstständigkeit aus. Daraufhin startete die Sulzbacher SPD eine spektakuläre Aktion am 20. Februar 1974. In einem gecharterten Bus fuhr sie nach Bad Orb und „sprengte“ die Klausurtagung der hessischen SPD-Parteispitze. Karl Reinke und Theo Lißmann, der Vorsitzende des Sulzbacher Parlaments, sprachen mit Ministerpräsident Albert Oswald und dem Vorsitzenden des Gebietsreformausschusses Gerhard Sprenger, was die hohen Politiker offensichtlich zum Nachdenken geführt haben musste.
Noch am 6. März 1974 warben bei einer Bürgerversammlung in der Turnhalle der Cretzschmarschule die Landtagsabgeordneten Johann Strelitz (SPD), Karlheinz Koch (CDU) und Otto Wilke (FDP) um die Gebietsreform. Doch sie konnten die Sulzbacher nicht von ihren Argumenten überzeugen.
Am 9. Mai 1974 fand im Landtag die erste Lesung des Gesetzentwurfes für die Neugliederung statt. Der Entwurf entsprach nicht den Vorstellungen der Sulzbacher. Sie plakatierten und kämpften weiter. Bürgermeister Karl Reinke und Amtsleiter Hullmann durften am 6.Juni in Wiesbaden Sulzbachs Bedenken vortragen. Unverhofft bekamen die Sulzbacher Unterstützung von der Oppositionspartei CDU. Der Entwurf wurde nochmals überarbeitet. Kochs Antrag, Sulzbach nicht einzugliedern, wurde von SPD und FDP noch abgelehnt.
Am 19. Juni stand die zweite Lesung auf der Tagesordnung des Landtags. Die wurde aufgrund von Petitionen unterbrochen und einen Tag später fortgesetzt. Im Ausschuss stellte Koch erneut seinen Antrag, der nun einstimmig beschlossen wurde. Inzwischen hatte es sich nach Sulzbach herumgesprochen, dass der Kampf um die Selbstständigkeit wohl erfolgreich sein würde. „Als Bürgermeister Karl Reinke am selben Tag im Rathaus eine Pressekonferenz gab, da lag die Sensation schon in der Luft“, sagte Joachim Siebenhaar. Die Nachricht schlug dann trotzdem wie eine Bombe ein: Sulzbach und Kriftel würden selbstständig bleiben. Da brach im Ort ein mächtiger Jubel aus. Fahnen wurden gehisst, die Kirchenglocken läuteten, die Sirenen heulten. Man feierte ausgelassen, obwohl die „Entscheidung noch nicht in trockenen Tüchern“ gewesen war. Erst der offizielle Beschluss am 20. Juni 1974 im Landtag bestätigte „die Selbstständigkeit Sulzbachs“.
Diese „50 Jahre kommunale Selbstständigkeit“ wurde schon im April mit einem Jubiläumsstammtisch würdig gefeiert. Dazu waren Zeitzeugen eingeladen, die vom damaligen Kampf der Sulzbacher Kommunalpolitiker um die Eigenständigkeit berichteten. gs